Über Psychotherapie > Dipl.-Psych. Wolfgang Henrich > Video: „Hier und jetzt“
Salutogenese:
In der Medizin schaut man sich somatische und psychische Beschwerden in erster Linie unter dem pathologischen Aspekt an (Pathogenese). Die Frage dazu lautet: „Wie entsteht Krankheit?“ Diese Sichtweise ist vor allem in der Psychotherapie irreführend. Sie verleitet zu der Annahme, dass man nur alles Kranke, Schlechte, Störende wegmachen muss (weg-operieren, mit Medikamenten bekämpfen muss, etc.) und schon sei der Mensch gesund und alles in Ordnung. Hier ist die Sichtweise sinnvoller, das Symptom als wichtigen, ernst zu nehmenden Hinweis wahrzunehmen.
Kopfschmerzen werden z. B. mit einer Kopfschmerztablette behandelt, das Symptom wird bekämpft und dabei wird übersehen, dass dieses Symptom ein Warnsignal des Körpers darstellt, das darauf aufmerksam macht, dass ich z. B. verspannt bin, weil ich mich in meiner Arbeit überfordert habe.
Eine weiterführende Frage lautet hierbei: „Wie entsteht eigentlich Gesundheit?“ (Salutogenese) Lediglich eine Symptombeseitigung führt jedenfalls nicht zur Lösung.
In diesem Sinne sind diese Symptome „gut“. So wie es auch gut ist, dass es weh tut, wenn ich meine Hand auf die glühende Herdplatte lege (weil es mir signalisiert, ganz schnell die Hand wieder von der Herdplatte herunterzunehmen).
Hier und Jetzt:
Viel Leid wird gerade dadurch hervorgerufen, dass wir uns nicht im „Hier und Jetzt“ befinden, sondern uns lieber in die Zukunft oder Vergangenheit flüchten. Dabei entstehen Angst (Flucht in die Zukunft, „vielleicht wird etwas Schlimmes passieren!“) oder Depression (Eintauchen in die Vergangenheit, „wie schön hätte es doch sein können!“). Wir versuchen die Gegenwart zu vermeiden, aber gerade das achtsame Wahrnehmen der gegenwärtigen Empfindungen schafft Lösungen und Orientierung.
Liebe heilt:
„Liebe heilt“ wissen Menschen seit langer Zeit. Und dieser Satz begegnete mir im Lauf meiner Ausbildung immer wieder. Wer sich liebevoll und achtsam sich selbst und seinen Schwächen zuwendet, wird sich immer mehr seiner selbst bewusst. Dieser Ausdruck von Selbstakzeptanz hat seine erfahrbaren Auswirkungen. Er stärkt gleichzeitig das Selbstwertgefühl und obendrein das Immunsystem.
Und hier noch ein Text zum Glücklich Sein von Hermann Hesse:
„Glück ist Liebe nichts anderes. Wer lieben kann ist glücklich. Jede Bewegung unserer Seele, in der sie sich selber empfindet und Leben spürt ist Liebe.“
„Es gibt keine Pflicht des Liebens, es gibt nur eine Pflicht des Glücklich Seins. Dazu allein sind wir auf der Welt. Und mit aller Pflicht und aller Moral und allen Geboten macht man einander selten glücklich, weil man sich selbst damit nicht glücklich macht. Wenn der Mensch „gut“ sein kann, so kann er es nur, wenn er glücklich ist, wenn er Harmonie in sich hat. Also wenn er liebt.[…]
Dies war die Lehre, die einzige Lehre in der Welt. Dies sagte Jesus, dies sagte Buddha, dies sagte Hegel, jeder in seiner Theologie. Für jeden ist das einzig wichtige auf der Welt sein eigenes innerstes – seine Seele – seine Liebesfähigkeit. Ist die in Ordnung, so mag man Hirse oder Kuchen essen, Lumpen oder Juwelen tragen, dann klang die Welt mit der Seele rein zusammen, war gut, war in Ordnung.“
Hermann Hesse, „Wer lieben kann ist glücklich“, in: Sinclairs Notizbuch, 1962, Seite 69 (Verlag Rascher)